Hier behauptet Andreas Moser, dass man die Verkürzung von Schutzfristen auf literarische Werke etc., nicht fordern darf, ohne gleichzeitig eine Abschaffung des Erbrechts insgesamt zu verlangen. Das leuchtet mir nicht ein.
Wie so oft geht es hier nicht um ein Ganz oder Gar nicht, sondern um eine Abwägung. Der Ungerechtigkeit des Erbrechts in Bezug auf Immobilien reflektiert, dass die Gesellschaft uns zuerst als Mitglieder unserer engsten Sozialbezüge und dann erst als Bürger begreift. Meine Kinder dürfen mir näher stehen als die 80 Millionen Mitbürger, an die deshalb nur die Erbschaftssteuer fällt. Das läßt sich auch dadurch rechtfertigen, dass ohne diese individuelle Verantwortungsübernahme viele Tätigkeiten (z.B. notwendige Instandhaltungsarbeiten) erst gar nicht vollbracht würden.
Bei Immaterialgütern fällt diese Abwägung möglicherweise anders aus. Die Nutzung durch Fremde beraubt die Nachkommen ja nicht der eigenen Nutzung: die Erben des Autors werden aus seinen literarischen Schlössern nicht vertrieben, nur weil der Pöbel den Türschlüssel erhält. Was ihnen entgeht sind lediglich (sehr ungewisse) zusätzliche Renditeaussichten. Weder hätte der Schriftsteller ohne Schutzfrist weniger geschrieben, noch ist zu rechtfertigen, dass man der Allgemeinheit sein Werk wegen dieser Renditeaussichten vorenthält.
Grundsätzlicher: Materialgüter sind meist grundsätzlich begrenzt verfügbar, und deshalb muss ein fairer Modus für ihre Verteilung gefunden werden. Immaterialgüter unterliegen keiner solchen Beschränkung: wenn wir sie vervielfältigen, werden wir alle wohlhabender. Eine künstliche Verknappung erscheint mir pervers: das eigentliche Ziel, eine faire Vergütung für die Erbringer einer schöpferischen Leistung, sollte sich auf anderem Wege direkter und besser erreichen lassen. Die Verknappung ist letztlich auch nicht im Sinne der Schöpfer, sondern vor allem im Sinne der Verwerter, die durch das planmäßige Obsoletwerden von Werken (die aufgrund der Schutzfristen nicht mehr auf den Markt gebracht werden dürfen) eine Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die Bestseller des aktuellen Abrechnungszeitraums erhoffen. Die Urheberrechtsdiskussion (insbesondere auch im Hinblick auf ACTA & Co.) ist vor allem eine Debatte über Verwerterrechte, und deren Abwägung gegen die hinnehmbare Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten zu deren Durchsetzung.
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